Aus Deutschland in den Rest der Welt

La La Land

Aus gegebenem Anlass soll es heute mal um Los Angeles gehen. Die meisten Zentraleuropäer rümpfen meiner Erfahrung nach hier die Nase: Smog, Stau, Starlets, bestimmen das allgemeine Meinungsbild.

Für den europäischen Touristen ist diese Stadt vor allem eins: Verwirrend. Streng genommen gibts die Stadt auch gar nicht: Eher 72 Kleinstädte, die alle irgendwie in einander übergehen. Wers nicht glaubt, kann ja mal den Test machen und sich jeweils in Venice, Santa Monica und Torrance an den Strand begeben. Für den Optimisten (es kann nur besser werden): In Torrance donnern die Flieger über einen, kann man aber nicht gucken, weil man lieber nicht in die Überreste der letzten Drogennacht steigen möchte, in Venice kennt man sich (vermeintlich, geschult durch unzähliche Fernsehserien) schon aus und das zu erwerbende Marihuana ist zumindest legal, und in Santa Monica sitzt man 100 m vom Strand im Fairmont unter einem jahrhundertealten Feigenbaum und speist gar vorzüglich auch irgendwelche Gräser – diese aber mindestens „organic“. Der Pessimist verhalte sich bitte genau anders herum.

Ach ja – die allergrößte „Bildungsserie“ über Los Angeles spielt übrigens gar nicht dort: Baywatch ist in Malibu angesiedelt – und das ist tatsächlich eine andere Stadt, worauf die Einwohner auch größten Wert legen (vgl. Grünwald und München).

 

 

Woher nun die Verwirrung? Für den geneigten europäischen Metropolisten hat eine touristisch geeignete Stadt, selbst mit mehreren Millionen Einwohnern, ein Zentrum zu haben, von dem aus man seine Exkursionen unternehmen kann. Maximal ein oder zwei Ausgehviertel sind noch erlaubt. In Hamburg die Binnenalster, in München der Marienplatz (und Schwabing oder das Glockenbach am Abend), in Wien die Innere Stadt, in Prag der Wenzelsplatz, in Florenz die Piazza, usw. Selbst in London (Westminister Abbey) oder in Paris (Champs-Elysée) kann man sich noch einigermaßen orientieren. Einzig Berlin sticht aus der Reihe – und ist deswegen auch schon verdächtig bis faszinierend – so dass die meisten Nichtberliner nach ein paar Tagen froh sind, wieder weg zu sein.

Und Amerika: Die beliebtesten Städte in den USA sind (nicht zwingend in dieser Reihenfolge): New York (Manhattan), San Francisco (Union Square), Miami (eigentlich Miami South Beach – Ocean Drive), Chicago (Magnificent Mile), Boston (am Wasser und alles so schön britisch). Geheimfavorit ist dann noch San Diego: Da kann man sogar in 20 Minuten zu Fuß vom Zentrum zum Flughafen gehen (!) – davon träumt der Münchner seit Edmund Stoiber…

Los Angeles dagegen sieht eher aus wie ein Flächenstaat und die Verbindungsstraßen – ironischerweise Freeways genannt – sind trotz sechs Spuren in eine Richtung fast immer hoffnungslos überlastet. Wobei man sich als Münchner, der sich so bereitwillig wie gezwungenermaßen zwischen 16:30 und 18:30 auf die einzige zentrale kreisförmige Verbindung einzureihen versucht, auch ständig mit dem inneren Frodo konfrontiert sieht – „ein Ring, sie zu knechten…“ Die Fortbewegungsgeschwindigkeit dürfte ähnlich sein wie auf dem Freeway 405 von Santa Monica nach Century City – aber im Stau stehen im Urlaub, das geht ja mal gar nicht. Zu verdanken hat man das übrigens der Eisenbahn. Klingt komisch, ist aber so: Anfang des 20. Jahrhunderts war Los Angeles durchzogen von einem Netz aus Eisenbahnlinien, da schon damals die Stadt sich geschwulstartig ausbreitete und nur so die Entfernungen schnell überwunden werden konnten. Erst, als die anwachsende Automobilindustrie eine eigene Eisenbahngesellschaft (!) gründete und das Schienennetz übernahm, wendete sich das Blatt: Die Trassen wurden einfach in Straßen umgewandelt – einfacher gings nicht.

Im Grunde kann man – touristisch betrachtet – Los Angeles mit Google vergleichen: Unter der URL selbst findet man nicht viel mehr als eine weiße Seite – ab und an mit ein paar originellen, jahreszeitlich angepassten Animationen. Wer nicht weiß, was er will, wird sich schwer tun. Wer in L.A. aber weiß, was er möchte, wird es ziemlich sicher auch finden. Wer sich aber Zeit nimmt und auf die Stadt einlässt, der wird reich belohnt.

Es lohnt sich übrigens speziell in Strandnähe, auf AirBnB, Homeaway o.ä. sein temporäres Domizil auszuwählen. Man ist mitten im Geschehen, teilweise zum Bruchteil der Übernachtungskosten der örtlichen Hotels (die es an den Hot Spots eh nicht gibt). Wer sein Lager einmal in Wurfweite des Abbot Kinney Blvd in Venice aufgeschlagen hat, wird erstaunt feststellen, dass man hier mindestens eine Woche verbringen kann, ohne sich zu langweilen – und ohne auf das Auto angewiesen zu sein. Wieder ein Vorurteil zerbröselt. Allein auf dem Blvd, der nach dem Erbauer/Planer dieses Stadtteils (Venice) benannt ist, kann man sich kulinarisch ausgiebig versorgen. Und wer sein Einzugsgebiet auf die Rose Avenue und Main Street erweitert, kommt auch noch länger durch -wenn denn das Reisebudget mitspielt. Denn – oekotrophologisch hochwertig zu überleben geht ganz schön ins Geld – nachzuprüfen u.a. beim Edel-superorganic-inzwischenteildesamazonimperiums-Supermarkt Wholefoods an der Ecke Rose und Lincoln in Venice.

Und wem das dann alles doch zu viel wird: in 90 Minuten ist man in San Diego – wenn man nicht im Stau steht…

 

Was ansehen:

Los Angeles ist natürlich Vorlage und Kulisse von tausenden von Filmen, Serien und Dokumentationen.  Deshalb hat man auch als Neuling ständig das Gefühl, schon mal da gewesen zu sein. Und es kann sein, dass man die gleiche Straße, durch die man gerade noch selbst gefahren ist, wenig später in der Hotelglotze wiedersieht.

Ein paar (alles eher FSK 16 mäßige) Tipps:

  • Californication: Spielt hauptsächlich in Venice und erzählt die Geschichte eines Autors, der nach einem Bestseller sich selbst, seine Familie und seine Bestimmung sucht (explicit warning sei dazu vermerkt).
  • Bosch: Serie über einen einzelgängerischen LAPD Cop mit tollen, atmosphärischen Bildern und guten Geschichten.
  • L.A. Confidential: Inzwischen ein Klassiker mit einer Riege sensationeller Schauspieler über L.A. in den 50er Jahren – oder wie es hätte sein können.
  • Nightcrawler: Auch nichts für schwache Nerven: Ein junger Mann will die „Breaking News“ erobern – und schreckt buchstäblich vor nichts zurück. Ein etwas anderer Blick auf die Medienmetropole L.A.
  • Rock of Ages: Ein gute Laune Film mit guter Laune Musik und ein paar sensationell gut aufgelegten Schauspielern – sogar Tom Cruise.
  • La La Land: Hier wird alles eingefangen, was man mit der Stadt verbindet – ohne es zu überhöhen – ganz im Gegenteil.

 

Wo Essen gehen:

Vielleicht eher: wo nicht essen? Die Vielfalt ist gigantisch, von den Marktständen in der Foodhall in Downtown bis zum Nobu in Malibu oder dem CUT Steakhouse im Beverly Wilshire Hotel (ja, genau das) – für jeden Geschmack und Geldbeutel ist etwas dabei. Ein paar persönliche Tipps:

  • Gjelina – Abbot Kinney, Venice: Sehr lässig, trotzdem perfekt. Genial zum Frühstück oder Brunch. so was gibts nur in Kalifornien.
  • Cafe Gratitude – Rose Ave, Venice: Wer mal vegan essen möchte, ohne dabei das Gefühl zu haben, missioniert zu werden, ist hier richtig. Sehr schmackhaft, lecker – und doch anders.
  • Flake, Rose Ave, Venice: Zum Frühstück mit den Surf Dudes abhängen, dann auf Tour gehen – oder gleich mit an den Strand.
  • Umami Burger, 6th & Broadway, Santa Monica: Eine etwas andere Burgerkette, lokal, mit etwas ausgefalleneren Kraetionen.
  • Malibu Cafe, Malibu Pier, Malibu (siehe Bild): Gutes Essen, aber vor allem eine traumhafte Location: man sitzt auf dem Dach des Gebäudes am Ende des Piers und hat freie Sicht auf Sonne, Strand, Surfer und mehr. Wer hier keine California Vibes bekommt, dem ist nicht mehr zu helfen.
  • Beachwood Café, 2695 N Beachwood Dr, Los Angeles (siehe Bild): Gute kalifornische Küche, aber vor allem idealer Ausgangspunkt für eine kleine Wanderung durch den Griffith Park – das Naherholungsgebiet L.A.s – fünf mal größer als der Central Park. Hier stehen auch die Wahrzeichen Hollywood Sign und Griffith Observatory. Nach einem ausgiebigen Spaziergang hat man sich den (selbstverständlich organic) Burger verdient.
  • Polo Lounge, Beverly Hills Hotel, Beverly Hills (siehe Bild): Wer wissen möchte, ob es die Menschen von den Bildern in der GALA wirklich gibt, ist hier richtig. Man kann die versammelte Prominenz in ihrem natürlichen Habitat erleben. Dabei ist alles dezent, lässig, ausgesprochen edel natürlich – die 35 US Dollar für den Polo Lounge Burger ist die Erfahrung aber allemal wert…

 

 

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